KURZBIOGRAFIE
Bochra Belhaj Hmida ist eine tunesische Anwältin, Politikerin und prominente Frauenrechtsaktivistin. 1989 war sie bei der Gründung des Tunesischen Verbandes demokratischer Frauen (Association tunisienne des femmes democrats - ATFD), dessen Präsidentin sie von 1994 bis 1998 gewesen ist, beteiligt.
BOCHRA BELHAJ HMIDA – TUNESIEN
„Frauen sind das neue Gesicht der reformistischen Kräfte in Tunesien"
Warum sind Sie zu einer politischen Aktivistin in Tunesien geworden? Das begann in meiner Kindheit, ich wuchs inmitten der politischen Unruhen gegen das Regime von Ben Ali auf. Außerdem gaben mir das Kino und das Lesen von Büchern die Energie, für den Traum meiner Mutter zu kämpfen: eine starke, unabhängige Frau, eine Anwältin und eine Stimme für die Freiheit zu werden. Warum haben Sie 1989 den Tunesischen Verband demokratischer Frauen (Association tunisienne des femmes démocrates - ATFD) gegründet, der sich für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter stark macht? Der ATFD war das Ergebnis unserer Debatte über die Situation der tunesischen Frauen zu jener Zeit. Unser Ziel war es, eine Plattform zu schaffen, auf der sich Frauen frei ausdrücken können. Der ATFD ist ein Netzwerk von Frauen, die an die Stärkung ihrer Rolle durch Bildung glauben. Aus diesem Grund haben wir einen Bericht veröffentlicht, in dem Frauen über die Bedeutung der Demokratie sprechen. Frauen sind das neue Gesicht der reformistischen Energien in Tunesien.

Bochra Belhaj Hmida im Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Tunesien
Was ist Ihre persönliche Motivation, sich für demokratische Verbesserungen einzusetzen? Meine Motivation ist der Traum von der freien politischen Meinungsäußerung. Ich kämpfe jeden Tag dafür, ein Umfeld zu schaffen, in dem jede und jeder seine Meinung frei und sicher äußern kann, ohne Einschränkungen. Das ist in Tunesien nach der Revolution auch notwendig, um Demokratie zu praktizieren und das bürgerliche Engagement und die Rolle der Politik zu stärken und zu verbessern. Haben Sie in der Vergangenheit aufgrund Ihrer politischen Sichtbarkeit und Ihres Aktivismus irgendwelche persönlichen Konsequenzen erfahren? Vor der Revolution wurde fast täglich auf uns Druck ausgeübt: Die Polizei hörte unsere Telefonate ab und verfolgte uns zu einem normalen Treffen mit Freunden. Bei Protesten kam es regelmäßig zu körperlichen Übergriffen, und jedes Mal, wenn wir mit einem Polizisten diskutierten, wurden wir verbal beschimpft. Sogar meine Schwester musste aufgrund meines politischen Engagements persönliche Konsequenzen hinnehmen. Ich habe davon geträumt, jemanden zu mir nach Hause einzuladen, ohne dass dieser verfolgt wird. Und jede Woche findet man in der Presse einen Artikel über uns, in dem die von mir gegründete Vereinigung schlecht gemacht wird. Nach der Revolution hat sich die Situation geändert, und viele der Drohungen haben sich in den Online-Bereich und die sozialen Medien verlagert, wo ich jetzt direkte Morddrohungen erhalte. Deshalb stehe ich seit 2013 unter Personenschutz. Als wir einen Bericht veröffentlichten, der Gleichberechtigung im Erbrecht forderte, war ich vielen Hasskommentaren ausgesetzt. Es gab Kampagnen, die sich gegen mein Äußeres richteten, und überall wurden falsche Informationen über den Bericht verbreitet. Ich habe über Messenger-Dienste direkte Morddrohungen erhalten. Welchen Formen von Hassreden und verbalen Anfeindungen sind Sie im Internet ausgesetzt? Zusätzlich zu dem gerade beschriebenen Beispiel gab es Hetzkampagnen, die auf mich abgezielt waren, sobald ich mich zu LGBTI-Rechten und dem Erbschaftsgesetz äußerte. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als mein Facebook-Kanal drei Tage lang mit beleidigenden Fotos zugeposted wurde. Wie können Sie sich gegen diese Kampagnen wehren? Ich lasse mich nicht auf solche Kampagnen ein. Wenn du das tust, verlierst du nur. Aber ich machte mir um meine Mutter große Sorgen, denn wenn sie die Online-Kampagnen gegen mich sieht, ist sie sehr bestürzt und traurig. Ich korrigiere aber falsche Informationen, die über mich verbreitet werden, denn Desinformationskampagnen können die Sache, für die ich mich einsetze, zunichtemachen. Manchmal wähle ich auch einige Nachrichten aus, in denen ich auf die Anschuldigungen des Verfassers eingehe und versuche, so gut es geht, mit ihm darüber zu sprechen. Ich beteilige mich an diesen gelegentlichen Debatten, weil ich den Menschen, die sich offenbar leicht manipulieren lassen, zu verstehen geben möchte, dass ich auch ihre Rechte und ihre Sicherheit verteidige.